Alexandra Ranner – Hyperventilirium
Halle oben Zeitraum
28.09.2014 - 26.10.2014
Die in Berlin lebende und arbeitende Alexandra Ranner ist dem kunstinteressierten Publikum als Installationskünstlerin bekannt. In großangelegten Raumskulpturen konfrontiert die Künstlerin den einzelnen Betrachter nicht selten mit sich selbst, mit seinen Vorstellungen und Projektionen in bestimmten Raumsituationen. Zentrales Thema ihrer Arbeiten ist der Raum jenseits der baulichen Wirklichkeit, der als emotionaler Raum bezeichnet werden kann und in dessen Sinnlichkeit und Illusionismus man eingebunden ist.
In der Jahresausstellung des Kunstvereins Göppingen zeigt Alexandra Ranner erstmalig einen Raum mit ausschließlich sechs Videos, Fragmenten, die zuvor Teil verschiedener Raumskulpturen waren. Die Künstlerin schafft in der Kunsthalle Göppingen dabei durch die klug bedachten, differierenden Videoprojektionen eine Raumsituation, die den Betrachter auf vielfältigen Ebenen erreicht. Die unterschiedlichen Formate reichen von der Kabinettstückgröße bis zur Lebensgröße. Mit dieser Variation öffnen sich zum einen Blickachsen und bieten wie bei einem Fenster einen intimen Einblick, zum anderen beanspruchen die Projektionen die Wand nicht nur als Raum, um auf der Fläche eine illusionistische Tiefe zu suggerieren, sondern sich mittels Größe, Bewegung und begleitender Tonspur in den Raum des Betrachters auszuweiten. Das Sichtbare überschreitet die Grenzen des Bildes. Ähnlich einem barocken Gesamtkunstwerk wird man von Schönheit und Schrecken ergriffen, kommt wie die Akteure in Ranners Filmen in eine Situation der Anspannung und der Bedrängnis.
Nicht ohne Grund ersann Alexandra Ranner das Kunstwort HYPERVENTILIRIUM als Titel für diese Ausstellung. HYPERVENTILIRIUM ruft sowohl den medizinischen Begriff des Hyperventilierens auf, also die durch starke Affekte wie Angst oder Panik ausgelöste beschleunigte Atmung, als auch den des Deliriums als eines akuten Zustands der eingeschränkten Wahrnehmung und der Bewusstseinsstörung. Ranners Interesse gilt jedoch nicht der medizinischen Studie; wie schon der Titel impliziert, ruht es auf der Spannung zwischen den Extremen, die absichtsvoll inszeniert wird. Filmisch in Szene gesetzt ist eine Stimmung zwischen Ruhelage und höchster Anspannung, zwischen Konzentration und Wahrnehmungsverlust, zwischen Fröhlichkeit und Brutalität. Alexandra Ranner schickt den Betrachter auf eine Gratwanderung, bei welcher der Besucher der Ausstellung in der eigens abgedunkelten Kunsthalle eine flimmernde Rauminstallation erleben kann.
Der Ausstellungstitel HYPERVENTILIRIUM unterstreicht mit seiner Neuschöpfung und Künstlichkeit des Wortes die Möglichkeit der Gleichzeitigkeit der Extreme: der Panik und dem Rauschzustand. Die Möglichkeit des „sowohl als auch“ wird bildhaft in der zentral gesetzten Arbeit einer schwingenden Tür, die egal welche Ausbrüche sich im Raum entladen, sich in einem fort auf und zu bewegt. Das Türschwingen ähnelt dem Ein- und Ausatmen und bildet ein stoisches Kontinuum; es ist die stetige Wiederholung des Immergleichen. Auf subtile Art löst die permanente Bewegung jedoch auch diffuses Unbehagen aus, weil eine kausale Erklärung für das Türschwingen ausbleibt. Absichtsvoll bleibt eine klärende Auflösung ebenso bei den weiteren Videosequenzen aus: In unüberhörbarer Raserei schreit der Protagonist von „Silencio Subito“ (2010) in einem an Stille nicht zu übertreffenden Zimmer in bayrischer Mundart nach Ruhe. Eine Folge von Posen und Handlungen ist zu beobachten, unsicher und unentschieden, ob sich daraus eine Geschichte formen ließe. Auch hier trägt das Video-Fragment eine kreisende Bewegung vor: eine Aktion, die auf der Stelle tritt.
Durch die Simultanität der sechs Video-Fragmente in der Ausstellung treffen sechs bewegte Bilder aufeinander, die auch formal äußerst intensiviert sind. In den unterschiedlichen Formaten und Farbgebungen legen sich eindrücklich Bilder nieder, die sich als vielfältige skulpturale Setzungen der Bildhauerin Alexandra Ranner entschlüsseln.