Barbara Klemm – Fritz Schwegler
Schloss Filseck Zeitraum
12.06.2021 - 08.08.2021
Barbara Klemms Pressebilder haben unseren Blick auf die bundesdeutsche Geschichte mitgeprägt. Politische Schicksalsmomente – Machtwechsel, Parteitage, Friedensverhandlungen – wurden von der FAZ-Redaktionsfotografin über 35 Jahre hinweg mit der Kamera begleitet, um in Form ikonischer Schwarz-weiß-Kompositionen ins allgemeine Gedächtnis überzugehen. Auch die deutsche Teilung, der Kalte Krieg, der Mauerfall finden in diesem Lebenswerk ihren besonderen Ausdruck. So sehen wir etwa den berühmt gewordenen „Bruderkuss“ zwischen Honecker und Breschnew durch Klemms Objektiv. Die entstandenen Bilder gehen weit über reine Reportage Fotografie hinaus. Wenn Willy Brandt und Helmut Schmidt mit versteinerten Mienen in zwei unterschiedliche Richtungen blicken, ist damit weit mehr ausgesagt, als dass zu einem bestimmten Anlass die Politprominenz anwesend war. Inhalt und Bildaufbau gehen bei Klemm oft spannungsreiche Verbindungen ein. Immer wieder entstehen im Umfeld der abgelichteten Personen zusätzliche Bedeutungsebenen. Typisch sind z. B. „sprechende Hintergründe“: Gemälde, deren Figuren scheinbar zu unbeachteten Mitakteuren werden. Statuen, die zu den (im Foto) ebenso unbewegten Menschen in Konkurrenz treten. Poster, deren Botschaften wohl nichts mit dem Leben der Dargestellten zu tun haben. Ob auf der Straße oder in Verhandlungsräumen, in Deutschland oder einer fernen Weltregion – Barbara Klemm behält stets das Wesentliche im Auge und sieht Dinge, die anderen Zeitzeugen verborgen bleiben.
Mit Fritz Schwegler verband sie eine langjährige Freundschaft, deren sichtbares Zeugnis beispielsweise ein Porträt des Künstlers vor seinen miniaturhaften Bronzeplastiken ist. Die 2012 gegründete „Stiftung Fritz Schwegler und Hildegard Schöneck-Schwegler“ mit dem sprechenden Namen Das unbewegliche Theater – ein Hinweis auf die dreidimensionale Bilderwelt des Stifters – ehrt sie nun mit einer selten vergebenen Auszeichnung: Nach dem Bildhauer Thomas Schütte ist sie erst die Zweite, die den Fritz-Schwegler-Preis erhält.
Die Ausstellung auf Schloss Filseck kombiniert Arbeiten von Barbara Klemm mit farbig gefassten Bronzewerken Fritz Schweglers: Dessen 111 sogenannte Seezungen-Fortsetzungen bieten einen maximalen Kontrast zum ästhetischen Ansatz der Pressefotografin. Gemeinsam ist beiden Konzepten jedoch die subtile Ironie, die sich oft erst beim zweiten Hinsehen erschließt. Entsprechend lässt sich die doppelte Werkschau als Wiederbegegnung zweier Kulturschaffender verstehen, die sich bei aller Gegensätzlichkeit hervorragend ergänzen.