Björn Melhus. Du bist nicht allein – you are not alone

Vom 1. April bis zum 13. Mai 2001 zeigt die Kunsthalle Göppingen Video/Installationen des Künstlers Bjørn Melhus aus den letzten 10 Jahren. Die Eröffnung findet am Sonntag, dem 1.4.2001, um 11.00 Uhr statt. Nach einer Begrüßung durch Bürgermeister Jürgen Lämmle spricht Prof. Dr. Wulf Herzogenrath, Direktor der Kunsthalle Bremen, zu den Werken der Ausstellung.
Bjørn Melhus (geboren 1966) ist heute einer der interessantesten und beachtetsten jungen Videokünstler. Er lebt und arbeitet heute vor allem in Berlin und New York. Aus der Popmusik und der Bilderwelt des Kinos und des Fernsehens der 60er Jahre bedient sich Bjørn Melhus Bruchstücke bestimmter Songs, Dialoge und Filmbilder und verbindet sie zu vielschichtigen Collagen, zu parabelhaften Filmen, neuen Musikvideos und vervielfachten Bilderinszenierungen mit schneller perfekter Choreographie der Bilderfolgen über mehrere Bildschirme hinweg. Seine Motive finden sich in einer Spurensuche in seiner eigenen TV-Kindheit, die zum ersten Mal eine ganze Generation geprägt hat. Die Bilder lieferten Identifikationsmuster, das Fernsehen ganz bestimmte Wahrnehmungsformen.
Der Ausgangspunkt ist die eigene Spiegelung in diesen imaginären Bildern und Rollen der Märchenwelt des Fernsehens. So spielt der Künstler in vielsagender Kostümierung alle Rollen selbst. Die konsumier-ten und erinnerten, in jedem Fall einprägsamen Medienbildern sind Identifikationsmuster, in die man sich geträumt hat als Kind und vielleicht noch als Erwachsener. Und so ist die Frage nach der Identität des eigenen Ichs, nach den Bildern, die sich darin niedergeschlagen haben, das immer wieder neu formulierte Thema der Arbeit von Bjørn Melhus. Und er gehört ja zu der ersten Generation, die mit dem Fernsehen aufgewachsen ist, mit den ersten Serien, den Westernfilmen aus Hollywood, der Teilhabe an den Abenteuern der Astronauten …
Zwei Beispiele: In „No sunshine“ spiegelt sich der Künstler in Zwillingen im Kostüm von Playmobilfiguren, die wie kaum ein anderes System der Wahrnehmung von Welt die Kinderzimmer beherrschen. Aus dem spielerischen Narzismus einer heilen Welt spalten sich die Alter egos auf: eine Seite verharrt in dieser Projektion, die andere erobert ein eigenes Bewußtsein – „Ich“ – und die heile Welt zerbricht, implodiert in gleißendem Licht … – „Ain’t no sunshine“ – Bjørn Melhus synchronisiert sein Spiel auf Fragmente dieses Songs der 60er Jahre mit den Stimmen der Kinderstars Michael Jackson und Stevie Wonder.
Und „Again & Again“(1998) – eine Geschichte der Selbstvervielfältigung: „You are not alone“ ist ein Versprechen, das so oder so eingelöst werden kann. Hier erfüllt es sich in Form von Doppelgängern des Künstlers und Neuerfindungen seiner selbst, dem immer wieder scheiternden Versuch, Einsamkeit in der Vervielfältigung zu
kompensieren, in Dialogen mit sich und anderen und in einer Geschichte, erzählt aus gefundenen Text- und Bildzitaten. „You are not alone“ ist der Titel eines Songs von Michael Jackson, dessen Grundrhythmus den Herzschlag der Videoinstallation „Again & Again“ bestimmt.
Alle Videobänder und Video/installationen von Bjørn Melhus bilden die Geschichte einer Familie eigener Selbstkonstruktionen des Künstlers – als Schlumpf, als Dorothea, als Westernhelden am Lagerfeuer, als Playmobilzwillinge, in den immer mehr werdenden Klonen, ohne Rückseite und so flach wie der Bild-schirm, auf dem sie ihre Existenz haben … Sie sind verführerisch in ihrer Inszenierung und Video-animation, Lachen und mit Zweifel gemischte Gefühle gehören dazu. In der Lust an den Möglichkeiten des Mediums Video/TV verweist der Künstler seine Geschichten auch wieder genau dahin zurück.