Newsletter Anmeldung
Kunsthalle Göppingen

Informationen zu Ausstellungen, Eröffnungen und dem Begleitprogram.

Zur Anmeldung
Malzeit

Informationen zum Kunstvermittlungsprogramm.

Zur Anmeldung

Gegenstände der Kunst (Schloss Filseck)

Ort
Schloss Filseck
Zeitraum
11.07.2014 - 28.09.2014

Was sind die Gegenstände der Kunst? Pablo Picasso zeichnet schwungvoll mit präziser Linie eine Frau im Profil. Sie ist sein Gegenstand. Er radiert danach aufmerksam ihr Porträt und widmet sich damit einer klassischen Gattung der Kunst. Ein Portrait zeigt auch Ernst Ludwig Kirchners Holzschnitt Strassenszene von 1914. Doch variiert Kirchner etwas, denn er wechselt den Gegenstand und porträtiert nun nicht den Menschen allein, sondern das Leben in der Stadt. Willi Baumeister spielt wiederum mit der Abstraktion der Formen, wenn er eine Tänzerin (1954) oder einen Läufer (1934) darstellt und dabei auf spannende Weise dieses Mal Bewegungen porträtiert. Figurativ sind auch die Farbsiebdrucke der amerikanischen Künstlerin Nancy Spero, die an der documenta X teilgenommen hat. In der Akrobat (1993) oder der Vietnamese (1994) verwandelt sie allerdings die Gestalten, die sie wie Bruchstücke auf der Fläche des Blattes verteilt. Andere Themen wie Gewalt, Krieg und die Verletzlichkeit der Person kommen in diesen handgedruckten Blättern zum Ausdruck.

Weitere Gegenstände der Kunst sind Landschaften, die Architektur oder Dinge und
Objekte. Das kann ein Tisch sein oder ein Stein, wie bei Friedrich Meckseper. Erich
Heckels Holzschnitt Stralsund (1912) steht unter anderem die Serie der Häuser
(1949) des Malers und Lyrikers Werner Held gegenüber, in deren flächigen Formen
sich die Eindrücke der Bauten von Berlin spiegeln.
Es kann natürlich auch ein Thema Gegenstand der Kunst werden, eine Erzählung
oder eine Geschichte, von denen es in der Kunst so viele gibt, die immer
wiederkehren, aber doch immer wieder anders aussehen und dem Betrachter lustvoll
eine andere künstlerische Sprache vor Augen führen. Paul Klees berühmter
Seiltänzer (1923) schildert die Wagnisse des Lebens, Picassos Atelier des
Bildhauers (um 1933) fügt sich in die große kunsthistorische Tradition der
Atelierbilder, wohingegen Georges Braque nicht nur in der farbigen Lithographie
Hélios II (1946) auf Motive der Mythologie zurückgreift.
Die Frage nach der Komposition ist auch ein Gegenstand der Kunst. Sie stellt
Wassily Kandinsky mit seinen Holzschnitten aus der Serie der Kleinen Welten
(1922). Die Künstler der Avantgarde des 20. Jahrhunderts haben sich wie kaum
zuvor in den Künsten den reichen Möglichkeiten der Graphik zugewandt und in
gemeinschaftlichen Mappen ihre technischen Experimente und künstlerischen Ideen
Blatt für Blatt gesammelt. Diese Blätter verbreiteten die neue Kunstauffassung und
sind bis heute auf dem Kunstmarkt begehrt. Ähnlich haben die konkreten Künstler
wie Max Bill, Frank Badur oder Walter Dexel neue Maßstäbe gesetzt, als sie mit
ihren Siebdrucken Farbfelder und Strukturen auf die Fläche gebracht haben. Diese
Blätter vermitteln ein neues Sehen, indem aus den Parametern Farbe und Linie oder
Maß und Struktur eine Ordnung erkennbar wird, über die ein Raum zu erfahren ist.
Dieser Raum ist ein anderer Raum als der Raum der täuschenden Illusion.
Nichtsdestotrotz treten Bild und Betrachter in eine Interaktion.
Die Kunst selbst kann ebenfalls zum Gegenstand der Kunst werden. Ben Vautier, der
französische Künstler schweizerischer Herkunft und wichtiger Vertreter der Flusxus-
Bewegung in den 1960er Jahren, reflektiert humorvoll das Machen von Kunst und die
Rolle des Künstlers, die an so viele Erwartungen geknüpft wird. Die Materialität von
Kunst nimmt wiederum Günther Uecker in den Blick. Er ist in der Ausstellung mit
mehreren seiner berühmten Prägedrucke vertreten, in denen die Materialität der
Nägel und des Papiers sichtbar wird, da sich die Formen derselben in die Fläche des
Büttenpapiers drücken. Das Auge ertastet gewissermaßen den Prozess der
künstlerischen Produktion. Dies ist auch angesichts der Werke von Max Ernst zu
erleben, dem Meister der Erfindung neuer Techniken wie der Frottage, der Grattage
und der Décalcomanie. Ein Besessener ist in dieser Hinsicht auch der Photograph,
Maler und Graphiker WOLS, dessen Radierungen aussehen wie eine Ansammlung
chaotischer Linien, aber dennoch aus dem Fleck ein hoch interessantes Bild
herausarbeiten.
Das Spektrum der gezeigten Arbeiten ist groß, die Facetten dessen, was ein Bild
darstellen kann, reich. Die Ausstellung zeigt über 80 Arbeiten von insgesamt 38
internationalen Künstlern. Sie folgt der Frage, welche Gegenstände die
Künstlerinnen und Künstler in einem Zeitraum von einem Jahrhundert wählen und
wie sie diese variieren. Die Auswahl von herausragenden Originalen der Graphik des
20. Jahrhunderts erschließt eine wunderbare Bilderwelt, ein Formenfieber und
Farbenspiel, das vielfältig die Imagination anregt. Die Werke der Ausstellung
kommen aus der Graphischen Sammlung der Stadt Esslingen am Neckar, die seit
1953 Arbeiten internationaler Künstler seit der Klassischen Moderne sammelt.