Mirjam Völker - Halbdunkel
Halle oben Zeitraum
02.12.2018 - 06.01.2019
Halbdunkel lautet der Titel der Jahresausstellung des Kunstvereins Göppingen mit Gemälden und Zeichnungen der in Leipzig lebenden Künstlerin Mirjam Völker. Halbdunkel deutet auch den Schwebezustand an, den Mirjam Völker in ihren vielfach faszinierenden Arbeiten einfängt. Wie auch der Begriff „Halbdunkel“ keine genaue Bestimmung von Tag und Nacht zulässt, sondern den Moment des Übergangs zu definieren sucht, bestechen die Arbeiten durch den Reiz der schwelenden Mehrdeutigkeit.
Mirjam Völker beherrscht das Repertoire an zeichnerischen und malerischen Mitteln perfekt und ihre meist großformatigen Kompositionen folgen einem präzis durchdachten Plan. Jedes einzelne Gemälde lädt den Betrachter ein sein ganz eigenes Abenteuer in der Bildwelt zu machen. Der Einstieg in das Bild wird jedem Betrachter leicht gemacht, denn Mirjam Völker schafft mit feinstem Pinselstrich so illusionistische Stofllichkeiten, Plastizität und Oberflächen, dass man nahezu meint, man könne diese anfassen und so wird der Übergang von Bildraum zu Ausstellungsraum fließend.
Ihre Bilder zeigen menschliche Behausungen, die ihren Platz im Dickicht der Natur zu behaupten scheinen. Was im ersten Moment wie Fotorealismus anmutet, bringt den Blick des Betrachters durch die unterschiedlich gebrochenen Raumachsen schnell ins Taumeln. Nähe und Ferne sind nicht klar zu differenzieren und so treiben Mikroskop und Fernglas gemeinsames Spiel. Die Verunsicherung durch den Perspektivwechsel wird durch die bizarren Szenarien gesteigert, die keine Verortung zulassen. Denn auch die dargestellte Natur wirkt sonderbar kulissenhaft und gibt Rätsel auf. Bei den eigentümlichen Behausungen, die Baumhütten oder Jägerständen gleichen, kann man sich keinesfalls sicher sein, ob sie überhaupt bewohnt sind. Durch die Perfektion der malerischen und zeichnerischen Schilderung, die eine beinahe magische Ästhetik ausübt, kann sich der Betrachter diesen Sujets nicht entziehen. Denn die Arbeiten sind schön und schrecklich zugleich. Sie bewegen sich auf einem schmalen Grat zwischen Traumwelt und Naturschönheit. Mirjam Völker gelingt es in einzigartiger Weise den Betrachter durch ihre illusionistische Malerei zu verführen.
Die bewusst gewählten Titel der Arbeiten – wie beispielsweise der großformatigen Zeichnung Untiefe (2013)- unterstützen diese Doppeldeutigkeit geradezu. Denn „Untiefe“ bedeutet sowohl eine gefährlich seichte Stelle für die Schifffahrt als auch eine unergründliche Tiefe im Gewässer. Die Zeichnung selbst bietet eine Projektionsfläche für eine Vielzahl von Interpretationen: von einem in die Jahre gekommenen Baumhaus bis zu einem vor langer Zeit gestrandeten Schiff, das keinesfalls mehr für die Seefahrt tauglich wäre, steht es doch auf einem Wurzelberg und wird gewissermaßen weiter von diesem durchdrungen. Die kalkulierten Brüche im Werk von Mirjam Völker sorgen bei der Betrachtung immer wieder für Irritationen, üben doch die Spannungen der Gegensätze einen ganz eigenen Reiz aus: Natur und Zivilisation. Nah- und Fernsicht. Intimität und Monumentalität. Entstehen und Vergehen. Hell und Dunkel. Verdichtung und Auflösung.